Heike Schmoll gab nach einer Stärken- und Schwächenanalyse Einblicke in aktuelle Erkenntnisse zu Themen, wie integrative Schulsysteme, Inklusion, Digitalisierung und Sprachförderung. Als Stärken des deutschen Schulsystems hob Heike Schmoll hervor, dass das Abitur nach wie vor ein verlässliches Zertifikat darstellt, das eine allgemeine Gültigkeit aufweist. Auch gibt es in Deutschland kein Klassensystem, wie in anderen Ländern. Der Zugang zur Bildung steht jedem offen – relativ unabhängig vom sozialen Umfeld des Schülers – und ist kostenfrei.
„Die Arbeit der Schule und die pädagogischen Fähigkeiten der Lehrkräfte sind die wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Bildungskarriere“, so die Referentin, die dabei auf die noch gute fachliche Lehrerausbildung anspielte. Hier sieht sie aber anfängliche Fehlleitungen, wie zum Beispiel den Einsatz von immer mehr Quereinsteigern, denen oftmals die fachwissenschaftliche und pädagogische Ausbildung fehlt. Gerade Grundschulen kämpfen mit Lehrermangel und versuchen, Löcher durch Quereinsteiger zu stopfen. Probleme haben dann die Schüler in den weiterführenden Schulen, da oftmals Grundwissen fehlt, das in der 5. Klasse dann nachgeholt werden muss, bevor man zum eigentlichen Lehrplan kommt.
Als weitere Stärken zeigte Heike Schmoll auch noch die hohe Durchlässigkeit des Schulsystems auf, das Wechselmöglichkeiten in jede Richtung ermöglicht sowie die Existenz von Berufsschulen, die es in anderen Ländern zum Teil gar nicht gäbe. Die Berufsschullehrer leisten wichtige Arbeit besonders bei der Integration von Flüchtlingen und auch an Kindern aus sozial schwächerer Familien und ermöglichen ihnen so, einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben und somit Aufstiegschancen.
Eine Schwäche des deutschen Schulsystems sieht Heike Schmoll besonders in der „Gleichmacherei“.„Leistungsstarke Schüler nicht zu fördern, ist genauso schlimm, wie schwache Schüler zu vergessen“, meint sie und fordert Lehrer und Eltern auf, ehrlich bei der Beurteilung der Kinder zu sein. Der inflationäre Umgang mit guten Noten täuscht über Defizite hinweg, die dann im Studium zutage treten. Die hohe Abbrecherquote an Hochschulen führt sie unter anderem auf diese Fehlleitung zurück. Ebenso sollte der Mut da sein, leistungsstarke Schüler auch besonders zu fördern und neue Wege dabei zu gehen. In der Gleichmacherei sieht sie verpasste Chancen für die Gesellschaft.
Das Reizthema „Schreiben nach Gehör“ unterlegte sie mit Ergebnisse aus verschiedenen Studien, die belegen, dass dieses „Experiment“ mehr Schaden als Nutzen gebracht hat. Heike Schmoll fordert daher die Schulen und auch die Kulturministerkonferenz dazu auf, vor Einführung von immer neuen Methoden, kleine Pilotversuche zu unternehmen, deren Ergebnisse solide geprüft werden, so dass nicht ganze Schülergenerationen als „Versuchskaninchen“ genutzt werden.
Das Thema integrative Schulsysteme behandelte Heike Schmoll mit Einblicken in den Schulalltag an solchen Schulen, den sie aus ihren vielen Vorort-Einsätzen an Schulen kennengelernt hat. Hier hob sie besonders darauf ab, dass Sprachtests schon vor dem Eintritt in die Grundschule vonnöten wären, so dass noch vor der ersten Klasse Sprachbarrieren abgebaut und dadurch eine zumindest sprachlich gleichmäßigere Basis geschaffen werden könnte. So würden auch Deutschlehrer für ihren eigentlichen Unterricht Zeit haben und nicht vermehrt Sprachunterricht an Kinder mit sprachlichen Defiziten erteilen müssen.
Beim Thema Inklusion beobachtet sie eine breite Ernüchterung. Zum einen würden nicht mehr ausreichend Förderlehrer ausgebildet, die in Inklusionsklassen zwingend anwesend sein müssen, zum anderen viel zu wenige Sonderschulpädagogen, die an Förderschulen unterrichten können. "In der Vergangenheit wurden wir in Deutschland um unser differenziertes Förderschulsystem beneidet. Das Thema Inklusion führt dieses Thema nun zum Teil ad absurdem, da man versucht, Kinder, die ganz klar in eine Förderschule gehören, in Inklusionsklassen 'durchzubringen', was die Klassenlehrer vor unlösbare Aufgaben stellt, wenn zusätzliche Lehrkräfte für die Inklusionsschüler fehlen", so Schmoll. Sie sieht eine Stigmatisierung der Förderschulen, die den Schülern und der Schulform überhaupt nicht gerecht wird. Eine ehrliche Einschätzung der Schüler kann helfen, die Schüler in der richtigen Schulform zu fördern und damit bei Erfolgen, die Chance zu geben, in die Regelschule zu wechseln.
Beim Thema Digitalisierung mahnt Heike Schmoll zu Nüchternheit. Den klugen Einsatz digitaler Geräte und den bewusster Umgang damit hält sie für wünschenswert. Voraussetzung ist immer, dass die Lehrkraft souverän mit den neuen Medien umgehen kann, um den Schwerpunkt auf den eigentlichen Lerninhalten nicht zu verlieren. Studien zeigen, dass sogenannte Digital-Schulen im Vergleich mit Schulen ohne einen digitalen Schwerpunkt gleich bis eher schlechter abschneiden.
In der anschließenden Diskussion, die von Barbara Wendling, Schulleiterin des Gymnasiums in Kirn, geleitet wurde, ging es um die Forderung der Versorgung mit Lehrpersonal von 105 %, so dass Unterrichtsausfälle vermieden werden könnten. Der zunehmende Lehrermangel gefährdet in ganz Deutschland diese – wie Heike Schmoll findet – richtige Forderung, wobei Rheinland-Pfalz bislang noch gut mit Lehrkräften versorgt ist. Bei den MINT-Fächern zeigt sich ein zunehmender Trend an Unterversorgung, während in den Geisteswissenschaften eher eine Überdeckung da ist.