Ingelheim

Ingelheimer Museum entwickelt Augmented Reality-App

Hochauflösende 3D-Scans erwecken römische Grabfiguren zu neuem Leben.

Letzte Woche drehte sich im Museum bei der Kaiserpfalz alles um die römischen Statuen, deren Originale erst seit Oktober des letzten Jahres wieder in Ingelheim sind: Mit einem hochauflösenden 3D-Scan wurden die Oberflächen der drei Figuren millimetergenau erfasst und dokumentiert. Hintergrund der technisch aufwändigen Vermessung ist das deutschlandweite Verbundprojekt „museum4punkt0 - Digitale Strategien für das Museum der Zukunft“, in dessen Rahmen das Museum eine App zur Wissensvermittlung entwickelt.
Bei den aus lothringischem Kalkstein gefertigten Grabfiguren handelt es sich um die bedeutendsten Objekte der römischen Epoche, die je in Ingelheim gefunden wurden. Entdeckt wurden sie bereits 1853 bei der Feldarbeit nördlich von Ingelheim. In ganz Deutschland gibt es nur wenige vergleichbare Funde. Experten gehen davon aus, dass die Figuren Teil eines Grabmals waren, das ein zu Wohlstand und gesellschaftlich hohem Ansehen gelangter römischer Bürger für sich und seine Familie errichten ließ. Da das Grabmal heute nicht mehr sichtbar ist und die Figuren im Museum ausgestellt sind, soll die geplante Anwendung das rekonstruierte Grabmal in der antiken Landschaft zeigen. Anhand von Texten, Video- und Audiosequenzen sollen Informationen über den historischen Hintergrund der Epoche vermittelt werden. Wesentlicher Bestandteil ist dabei die eingesetzte Augmented Reality („Erweiterte Realität“): Die Implementierung der erstellten 3D-Scans erlaubt es Betrachtenden, das monumentale Grabmal als digitale Rekonstruktion an seinem ursprünglichen Standort und als Teil der römischen Siedlungslandschaft zu erleben.

Farbspuren ermöglichen Rekonstruktion
Kleidung, Schmuck und Haartracht datieren die Errichtung des Grabmonuments in die Jahre zwischen 40 und 55 n. Chr. Es handelt sich also um die ältesten „Ingelheimer“, die wir zumindest ihrem Aussehen nach kennen. Eine Inschrift mit Namen, die einst zweifellos vorhanden gewesen ist, wurde nie gefunden. Kürzlich durchgeführte Analysen der Farbspuren, die sich an den Figuren über fast 2000 Jahre erhalten haben, erlauben immerhin Rückschlüsse auf die ursprüngliche Farbfassung. Durch Vergleiche mit anderen Funden aus dem Römischen Reich lässt sich auch das Aussehen des imposanten, einstmals wahrscheinlich rund 15 Meter hohen Grabmonuments rekonstruieren.
„Die Förderung im Rahmen des Verbundprojektes museum4punkt0 ist ein echter Glücksfall für Ingelheim und unser Museum. Sie ermöglicht es uns, diesen so bedeutenden Fund und mit ihm das römische Ingelheim wieder zum Leben zu erwecken und erfahrbar zu machen“, freut sich Kulturdezernentin und Bürgermeisterin Eveline Breyer.
Das Verbundprojekt „museum4punkt0 – Digitale Strategien für das Museum der Zukunft“ wurde 2017 ins Leben gerufen. Es wird aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert. Die beteiligten Museen und Stiftungen entwickeln digitale Anwendungen, infrastrukturelle Maßnahmen und Forschungsprojekte zur Vermittlung wissenschaftlicher, musealer und kultureller Inhalte. Im Fokus stehen dabei die Vernetzung der Partner und der nachhaltige Nutzen der Teilprojektarbeit: Erfahrungen und Erkenntnisse werden untereinander ausgetauscht, um so die Qualität der Ergebnisse zu verbessern. Zudem werden ganz konkret auch Programmcodes etwa für Projekte in anderen Museen kostenlos zur Verfügung gestellt, um Synergien für die gesamte deutsche Kulturlandschaft zu schaffen. Gesteuert und koordiniert wird der Verbund von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, die als zentrale Anlaufstelle das Wissen von Experten bündelt und bereitstellt.

Angebote für das Museum der Zukunft
Zu den 27 kulturellen Einrichtungen, die auch mit Mitteln aus dem als Reaktion auf die Corona-Pandemie aufgelegten Fonds „Neustart Kultur“ gefördert werden, gehören namhafte und renommierter Häuser, darunter beispielsweise die Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, das Germanische Nationalmuseum, die Klassik Stiftung Weimar, die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, das Badische Landesmuseum und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. In Rheinland-Pfalz ist Ingelheim der einzige Standort, der mit einem eigenständigen Projekt vertreten ist. Das Naturhistorische Museum Mainz arbeitet zusammen mit dem Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz in einem sogenannten Tandem-Projekt, ebenso das Historische Museum der Pfalz mit dem Historischen Museum Saar.
„Menschen haben heutzutage andere Erwartungen als noch vor 20 Jahren, wenn sie in eine Ausstellung gehen, sie wollen nicht mehr nur belehrt werden, sondern wollen Fragen stellen können, Kritik äußern und vielleicht sogar eigene Ideen entwickeln. Es geht bei diesem Projekt also auch darum, die heute zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten zu nutzen, um partizipative Angebote für das Museum der Zukunft zu entwickeln. Ich finde es großartig, dass wir mit dem Museum bei der Kaiserpfalz daran mitwirken können“, so Oberbürgermeister Ralf Claus abschließend.

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